UNESCO: „Schützenwesen“ ist Kulturerbe
Das Expertenkomitee Immaterielles Kulturerbe bei der Deutschen UNESCO-Kommission hat das „Schützenwesen“ als Immaterielles Kulturerbe auf nationaler Ebene bewertet.
Die Deutsche UNESCO-Kommission, die Kultusministerkonferenz und die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien haben am 11. März 2016 sieben Formen des Immateriellen Kulturerbes ausgezeichnet: das Sternsingen, das Kneippen, das Schützenwesen, das Ehrsame Narrengericht zu Grosselfingen, die Volkstanzbewegung, das Choralsingen und die Manuelle Glasfertigung. Die Manufakturelle Schmuckgestaltung und ein Projekt zur Bewahrung von Kultur, Vielfalt und Qualität regionaler Spezialitäten in Oberfranken wurden für ihre Aufnahme in das deutsche Register Guter Praxisbeispiele geehrt.
Im Rahmen der Auftaktveranstaltung des Interkulturellen Zentrums der Stadt Heidelberg zu den Internationalen Wochen gegen Rassismus erhielten die Träger dieser Kulturformen ihre Urkunden für die am 4. Dezember 2015 erfolgte Eintragung in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes.
Das Schützenwesen ist vielerorts ein wichtiger, historisch gewachsener und lebendiger Teil der regionalen bzw. lokalen Identität. Es umfasst eine große Anzahl von Bräuchen und Traditionen, die in ganz Deutschland in zahlreichen unterschiedlichen Erscheinungsformen verbreitet sind. Das Spektrum reicht von den stark christlich geprägten Bruderschaften im rheinischen-westfälischen Bereich über das weltliche, zum Teil streng traditionell gelebte Brauchtum im östlichen Deutschland und die eher bürgerlich-republikanisch veranlagten Gepflogenheiten der Vereine in den früheren freien Reichs- und Hansestädten bis hin zu den folkloristisch-fröhlichen Traditionen der süddeutschen Schützengesellschaften. Das Schützenwesen hat im Laufe seiner Geschichte immer wieder auf Veränderungen der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen reagiert und sich enorm ausdifferenziert. Das alte Brauchtum wird heute in der Regel im Rahmen einer Vereinszugehörigkeit von Menschen jeden Alters und Geschlechts unabhängig von religiösem Bekenntnis, sexueller Orientierung, Herkunft oder auch Behinderung ausgeübt. Es gibt vielfältige Maßnahmen zur Weitergabe der Tradition, unterschiedliche Formen der Jugendarbeit und eine aktive Pflege regionaler und europäischer Verbindungen.
Bekanntester und wesentlicher Ausdruck des Schützenwesens ist das Schützenfest, das mit vielfältigen örtlich unterschiedlichen Bräuchen einmal im Jahr gefeiert wird. Im Zentrum steht der oftmals durch das Königsvogelschießen ermittelte Schützenkönig bzw. die Schützenkönigin. Zu seinen/ihren Ehren finden Umzüge und Paraden statt, bei denen die uniformierten Schützen zu Ehren des Königs bzw. der Königin auftreten. Die Schützinnen und Schützen eines Vereins oder einer Bruderschaft treten in einheitlicher Schützentracht auf, tragen Vereinsabzeichen und verfügen über eine Fahne, um die sich wiederum diverse Bräuche gruppieren. In der Schützenhalle bzw. im Festzelt finden die gesellschaftlichen Feiern (Bälle, Frühschoppen, Platzkonzerte) statt. Jedes Schützenfest hat lokal hergebrachte Rituale und Bräuche und unterschiedliche Abläufe. Auch die genutzten Utensilien unterscheiden sich lokal und regional. Über dieses singuläre Ereignis im Jahr hinaus prägen gerade in kleineren Orten die unterschiedlichen ortsbezogenen Bräuche der Schützenvereinigungen das soziale und kulturelle Gemeinschaftsleben, sodass die Schützentradition das ganze Jahr wahrnehmbar ist und gelebt wird.
Die Ursprünge des Schützenwesens reichen vielerorts bis ins Mittelalter zurück. Im rheinisch-flandrisch-westfälischen Raum wurde zu dieser Zeit die jeweilige Stadt bzw. Gemeinde durch die Bürger selbst geschützt; der Wehr- und Verteidigungscharakter stand somit im Vordergrund. Mit der Übernahme dieser Aufgaben durch den Staat schwand diese Funktion des Schützenwesens. Dies kommt heute noch in einzelnen symbolischen Bräuchen zum Ausdruck, etwa dem Paradieren mit Holzgewehren oder der Tradition des Vogelschusses.